Übersetzung oder Transkreation?
Uns als Übersetzer erreichen häufig Anfragen bzw. Aufträge, die, auch wenn sich die oder der AuftraggeberIn dessen in der Regel gar nicht bewusst ist, einen einfachen Übersetzungsauftrag weit überschreiten. Das reicht dann vom Wunsch nach kleinen Änderungen eines bereits übersetzten Texts, damit dieser z.B. idiomatischer, griffiger klingt, bis hin zu einem Auftrag zum Korrekturlesen, welches letztendlich in ausführlichem Um- bzw. Neuschreiben mündet und somit weit über eine normale Übersetzung hinausgeht. Nicht nur, was den zeitlichen Aufwand betrifft, sondern vor allem, was die Kompetenzen des angesprochenen Übersetzers anbelangt. Übersetzungen dieser Art können als Transkreationen bezeichnet werden. Was das genau ist und wo der Unterschied zu einer gewöhnlichen Übersetzung liegt, soll hier im Folgenden einmal kurz erläutert werden.
Transkreation - Was ist das?
Der Begriff Transkreation ist eine Wortschöpfung aus den Worten Translation und Kreation (oder auch kreativ) und bezeichnet einen Prozess, bei dem ein Text nicht nur übersetzt, sondern auch kreativ bearbeitet bzw. durch eigene Kreation des Übersetzers in eine Zielsprache übertragen wird. Es handelt sich also im Grunde schon noch um eine Übersetzung, die Erstellung einer Transkreation erfordert aber ein etwas anderes Vorgehen und andere Denkprozesse des Bearbeitenden. Es werden weniger bestimmte Worte, sondern eher eine bestimmte Vorstellung auf kreative Art und Weise in die Zielsprache übersetzt.
Transkreationen werden bisweilen auch als internationales Copywriting oder als Kreativübersetzungen bezeichnet und sind eine Form des übersetzenden Textens.
In welchen Situationen wird eine Transkreation benötigt?
Eine Transkreation kommt in der Regel meistens dann zum Einsatz, wenn Texte in eine andere Sprache übertragen werden sollen, die nicht bloß reine Fakten, sondern auch Emotionen transportieren müssen. Bei technischen Dokumenten wie Gebrauchsanweisungen und ähnlichem spielt dies also keine große Rolle.
Marketing-, PR- oder Werbetexte (wie z.B. Slogans) hingegen vermitteln, häufig mit nur wenigen Worten, eine präzise Botschaft und wecken beim Publikum eine bestimmte Vorstellung, bestimmte Gefühle. Da dies aber oftmals vor dem Hintergrund von landes- bzw. kulturspezifischem Wissen, gängigen Redewendungen und anderen sprachlichen Mitteln geschieht, würde eine herkömmliche Übersetzung hier ins Leere laufen.
Bei einer Transkreation werden genau solche Inhalte identifiziert und die veränderten kulturellen Bedingungen und Zusammenhänge berücksichtigt, um mit äquivalenten Möglichkeiten der Zielsprache und -kultur einen neuen Text zu kreieren. Man könnte sozusagen auch vom Einbürgern eines Textes sprechen.
Ein konkretes Beispiel für eine Transkreation ist der Werbeslogan der Supermarktkette LIDL. Aus dem in Deutschland genutzten Original LIDL lohnt sich wurde in Italien LIDL è per te (LIDL ist für dich) und in der italienischen Schweiz Lidl conviene sempre (LIDL passt immer).
Worin besteht der Unterschied zu einer normalen Übersetzung?
Bei einer normalen Übersetzung, insbesondere bei technischen Texten, kann sich der Übersetzer häufig am Ausgangstext entlanghangeln, ohne großartig von der Struktur und Wortwahl des Originals abweichen zu müssen. Ganz im Gegenteil: die Terminologie spielt sogar eine wichtige Rolle und darf unter keinen Umständen im Rahmen kreativer Freiheit ausgetauscht oder verändert werden.
Das Vorgehen bei einer Transkreation hingegen ist ein völlig anderes. Hier wird der Ausgangstext zu Beginn des Prozesses einmal komplett dekonstruiert. Der Übersetzer muss die spezifischen sprachlichen Verweise erkennen, herausarbeiten und angemessen für das Zielpublikum aufbereiten. Außerdem ist bei solchen Texten ein vorheriges Briefing extrem wichtig, bei dem Auftraggeber und -nehmer genau klären können, was der Zieltext am Ende vermitteln soll.
Was zeichnet eine gute Transkreation aus?
Inwieweit darf/sollte man sich vom Original lösen?
Speziell Marketing- und Werbetexte sollen ihr Publikum nicht bloß erreichen, sondern vor allem bewegen. Von einer guten, erfolgreichen Transkreation kann man sprechen, wenn der adaptierten Fassung die Adaption nicht anzumerken ist. Der Text muss zum Zielmarkt passen sowohl in sprachlicher und inhaltlicher, als auch in kultureller und funktioneller Hinsicht.
Ziel und zugleich Herausforderung bei der Erstellung einer Transkreation ist es, sich bewusst weit vom Ausgangstext zu lösen und in die Welt des Zielpublikums einzutauchen, damit der zielsprachliche Text bei seinem Leser die gleichen Gefühle hervorruft wie das Original im Leser der Ausgangssprache.
Oftmals bietet sich für Kunden eine Kombination aus mehreren Services an, beispielsweise eine Transkreation für einen Slogan, Copywriting für den Blog des Unternehmens und eine Adaption für Pressemitteilungen.
In jedem Fall sollten Auftraggeber transkreative Leistungen von Beginn an angemessen begleiten, um somit das bestmögliche Ergebnis dabei heraus zu holen.