Wortspiele in Übersetzungen
Mit
Wortspielen ist das so eine Sache… Sind sie ausgeklügelt und
raffiniert, offenbart sich ihr Witz vielleicht nicht gleich beim
ersten Hören bzw. Lesen, dann ringen sie ihrem Rezipienten
mindestens ein kleines Schmunzeln ab und zeugen von einer gewissen
Sprachbegabung und -liebe des Autors. Weniger raffinierte/gewandte
Konstruktionen hingegen werden schnell mal als Flachwitz bezeichnet
und zum geistlosen Kalauer herabgestuft.
Im
Allgemeinen sind sie aber ein beliebtes Stilmittel unter Autor:innen
und finden Anwendung in allen möglichen Texten, von großen
literarischen Werken über Comics bis hin zu (Zeitungs-)Artikeln und
Werbetexten.
Da
es sich bei Wortspielen aber manchmal schon in der eigenen
Muttersprache um nicht ganz einfach zu verstehende, geschweige denn
zu kreierende Konstrukte handelt, bringt eine Übersetzung des Ganzen
die jeweilige Übersetzerin oder den jeweiligen Übersetzer schnell
mal an die Grenzen des „gewöhnlichen“ Übersetzeralltags und
verlangt ihr oder ihm eine ganz besondere Kreativität und ein
ausgeprägtes Sprachgefühl ab.
Bevor
wir uns aber den Schwierigkeiten beim Übersetzen von Wortspielen
zuwenden, hier erst einmal eine Übersicht der gängigsten
Wortspiel-Arten:
Wortspiel-Art |
Beschreibung |
Beispiele |
Homophonie (Gleichklang) |
Sogenannte Homophone klingen gleich, haben aber eine andere Bedeutung, z.B. „Hi“ (Begrüßung) und „Hai“ (Fisch) oder „Boot“ (kl. Schiff) und „bot“ (Präteritum von „bieten“). Homophone können in Wortspielen für Missverständnisse sorgen oder eine lustige Pointe darstellen. |
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Polysemie (Mehrdeutigkeit) |
Mehrdeutigkeit von Wörtern. Diese führt in Wortwitzen zu möglichen Missverständnissen oder Rätseln, die durch einen Moment der Erkenntnis Komik hervorrufen. Beispiele für mehrdeutige Wörter: „auflegen“ (einen Telefonhörer/Platten auflegen), „faxen“ ([ehem.] Bürotätigkeit/Tätigkeit eines Clowns) |
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Paronomasie (ähnlicher Klang) |
Die Paronomasie ist eher ein Wortspiel als ein Wortwitz. Sie bezeichnet den ähnlichen Klang von Wörtern, der bewirkt, dass sie leichter zu merken sind. Verwendet wird das Stilmittel der Paronomasie zum Beispiel bei Redewendungen oder Sprichwörtern. |
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Paragramm |
Bei einem Paragramm wird eine feste Redewendung oder ein Begriff durch einzelne Buchstaben oder Laute so verändert, dass ein neuer Sinn entsteht. Der ursprüngliche Begriff oder die Wendung sind hierbei in der Regel aber noch gut erkennbar. |
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Buchstabendreher („Spoonerismen“) |
Der sogenannte Spoonerismus* ist die Wortspielmethode der Lautverschiebung. Diese kommt in Form von Buchstabendrehern vor, bei denen entweder die Anfangsbuchstaben zweier Worte miteinander vertauscht werden oder innerhalb eines Wortes oder Satzes ein Dreher vorkommt. Diese Art Wortspiel, die mit den Anagrammen verwandt ist, kann absichtlich und unabsichtlich erfolgen. Wichtig ist, dass man sich nicht zu sehr von der Vorlage entfernt. |
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Schüttelreime |
Bei Schüttelreimen werden nicht nur Buchstaben vertauscht, sondern vor allem zusammengesetzte Wörter oder Wortteile verdreht. |
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Silbentrennung |
Bei der Silbentrennung werden die Silben mehrerer Wörter getrennt, sodass sie einen neuen Sinn erhalten. In der Regel gibt der Kontext hier einen Hinweis auf die richtige Bedeutung. |
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Wiederholungen |
Bei Wiederholungen geht es darum, gleichartige Wörter aneinander zu reihen und sie auf diese Weise möglichst kompliziert wirken zu lassen. Häufig braucht es eine Weile, um den vollständigen Sinn zu verstehen und den Wörtern ihre unterschiedlichen Rollen in der Grammatik des Satzes zuzuschreiben. Interpunktion sowie Groß- und Kleinschreibung ist an dieser Stelle sehr wichtig für das Satzverständnis. |
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Zungenbrecher |
Auch Zungenbrecher sind Wortspiele und eine Form der Alliteration. Hierbei beginnen viele oder sogar alle Wörter mit dem gleichen Buchstaben. Ist letzteres der Fall, spricht man von einem Tautogramm, einer Sonderform der Alliteration. |
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* Der Begriff „Spoonerismus“ geht zurück auf William Spooner (1844–1930), einen englischen Priester und Universitätsprofessor am New College in Oxford, der (bewusst) zu diesen Versprechern neigte. Von ihm stammt zum Beispiel dieser Buchstabendreher: „three cheers for our queer old dean“. Eigentlich sollte es „three cheers for our dear old queen“ heißen. Somit wurde aus der Bedeutung: „Dreimal Applaus für unsere liebe alte Königin“ die Bedeutung „Dreimal Applaus für unseren schwulen alten Dean.“
Übersetzen von Wortspielen
Wie
einige der aufgeführten Beispiele zeigen, stellen Wortspiele ein
sprachliches Stilmittel dar, das auf der Abweichung
von der sprachlichen Norm
beruht. Sie basieren auf einer Doppel- oder Mehrdeutigkeit, die in
der Regel absichtlich geschaffen und direkt bzw. indirekt
signalisiert wird.
Sie
sind übersetzungsrelevante
Einzelphänomene,
die sich auf unterschiedliche Art und Weise und auf verschiedenen
sprachlichen Ebenen vollziehen können.
Wortspiele
werden traditionellerweise als Übersetzungsproblem
betrachtet und galten lange
Zeit als gänzlich unübersetzbar. Der Grund dafür liegt in der
Natur dieses stilistischen
Phänomens.
Wortspiele
folgen, wie oben beschrieben, zwar bestimmten, lockeren Regeln, sie
sind aber auch immer an die Grammatik und die strukturellen
Eigenheiten des jeweiligen Sprachsystems und die Gegebenheiten der
jeweiligen Ausgangskultur gebunden und lassen sich daher eben nicht
1:1 und „regelkonform“ in ein anderes System übertragen.
Da eigentlich jedes Wortspiel ein einzigartiges Phänomen darstellt,
stellt sich hier eben die Frage nach dem Grad
der Übersetzbarkeit bzw. einer generellen Unübersetzbarkeit von
Wortspielen.
Bei
einer Übersetzung kommen nun jeweils unterschiedliche
Übersetzungsmethoden
zum Tragen, die nicht nur von den Recherchefähigkeiten
und der Professionalität des Übersetzers, seinem übersetzerischen
Talent und seiner Kreativität,
sondern eben auch von den Voraussetzungen und Gegebenheiten der
Zielsprache abhängig sind – sowohl in grammatikalischer Hinsicht
als auch vor dem Hintergrund der jeweiligen (Landes-)Kultur.
Übersetzer:innen
müssen schauen, inwieweit die Art des jeweiligen Wortspiels und
dessen Funktion in der Zielsprache überhaupt erhalten werden können.
Dazu müssen sie häufig von
den gewohnten und empfohlenen Übersetzungsverfahren abweichen
und sollten auch nicht
auf eine Analyse des zu übersetzenden Wortspiels verzichten,
um deren Struktur besser zu verstehen und damit die möglichen
Übertragungswege zu definieren. Fragen wie „Welche Techniken
kommen bei der Bildung des jeweiligen Wortspiels zum Einsatz?“ und
„Gibt es ähnliche Techniken in der Zielsprache?“ gilt es dabei
zu beantworten.
Darüber
hinaus ist es wichtig zu wissen, dass die im Ausgangstext vorhandene
stilistische Wirkung
bestimmter Textsorten in der Regel auch in der Übersetzung erzielt
werden muss. Der
„Spielgedanke“ sowie die Intentionalität des Gesamttextes sind
bei der Übersetzung von Wortspielen wichtiger als die äquivalente
Wiedergabe von Form oder Inhalt und fordern die Kreativität des
Übersetzenden.
Ist
eine adäquate Übersetzung eines Wortspiels kaum möglich, kann die
Übersetzerin bzw. der Übersetzer auf gewisse Techniken
zurückgreifen. Hierbei kann man zwischen metasprachlichen
und kompensatorischen Verfahren
unterscheiden.
Metasprachliche
Verfahren, zum Beispiel in Form von Erklärungen innerhalb des Textes
oder in Fußnoten, werden bei der Übersetzung von Wortspielen nur
sehr selten eingesetzt und sind eher bei formbetonten Texten üblich.
Deshalb werden sehr
viel häufiger kompensatorische Verfahren
angewendet, um die oben genannte Intentionalität und Identität des
Ausgangstexts zu erhalten.
Die
kompensatorischen Verfahren umfassen die Technik des versetzten
Äquivalents und des Ausweichens auf andere Wortspielarten.
Zu diesen versetzten Äquivalenten zählen sowohl die Kompensation
von Wortspielen,
für die in der Zielsprache kein Äquivalent gefunden wurde, an einer
anderen Stelle in der Übersetzung als auch die kulturspezifische
Anpassung von Redewendungen und Sprichwörtern. So wäre
beispielsweise der
Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt
in einem anderen Sprachraum der
Strohhalm, der dem Kamel den Rücken bricht
(„The straw that breaks the camel‘s back“).
Versetzte
Äquivalente werden zum Beispiel bei Übersetzungen aus einer
romanischen Sprache ins Deutsche oder ins Englische weitaus häufiger
angewendet als bei einer Übersetzung in eine andere romanische
Sprache, da diese oft über eine ähnliche Struktur und teilweise
ähnliche Wörter und Ausdrücke verfügt.
Möglichkeiten zur Übersetzung von Wortspielen – eine Übersicht
Wortspiel → Wortspiel (Nutzung eines zielsprachlichen Äquivalents)
Wortspiel → kein Wortspiel (Bedeutung des Wortspiels bleibt erhalten, aber in „Normalsprache“)
Wortspiel → ähnliche rhetorische Mittel (z.B. Ironie oder Alliteration)
Wortspiel → Null-Übersetzung (wird nicht übertragen/ganz ausgelassen)
AS-Wortspiel → ZS-Wortspiel (Ausgangssprachliches Wortspiel bleibt auch in Zielsprache erhalten)
Nicht-Wortspiel → Wortspiel (im Zieltext wird ein Wortspiel hinzugefügt)
Nullstelle → Wortspiel (komplett neues Textmaterial wird hinzugefügt)
Editionstechniken (Metasprachliche Verfahren, z.B. Fußnoten)
Wortspiele
sind also ein probates Mittel, um Texte interessanter und
unterhaltsamer zu gestalten. Für manche Textsorten sind sie gar ein
unverzichtbares Element.
Geht
es an ihre Übersetzung, sind bei dem jeweiligen Übersetzenden
Erfahrung und Qualität, besondere Sprach- und Kulturkenntnisse
sowohl in der Ziel als auch in der Ausgangssprache und natürlich
Kreativität gefragt. Mit diesen Voraussetzungen kann dann aber eine
Übersetzung garantiert werden, die dem Original in nichts nachsteht.