Übersetzen in der Europäischen Union


Der Staatenverbund der Europäischen Union umfasst, nach kürzlichem Austritt des Vereinigten Königreichs, 27 Mitgliedsstaaten, in denen 24 verschiedene Amtssprachen gesprochen werden. Dass Übersetzen in der EU also ein großes Thema sein dürfte, versteht sich von selbst.
Die verbreitetsten Sprachen sind Englisch, Deutsch und Französisch, welche, inklusive Spanisch, auch häufig als Relaissprache fungieren. (Unter „Relaissprache” versteht man die Übersetzung aus einer Originalsprache, die wiederum als Basis für weitere Übersetzungen herangezogen wird.)

Um aber nicht jedes Mal den Umweg über eine Relaissprache gehen zu müssen, wenn Angehörige zweier Sprachgemeinschaften miteinander kommunizieren wollen, und damit alle Mitglieder gleichberechtigt am Geschehen und dem Betrieb in der EU teilhaben können, gibt es die Generaldirektion Übersetzung.
Die Generaldirektion Übersetzung übersetzt Texte für die Europäische Kommission in die und aus den 24 Amtssprachen der EU und, falls erforderlich, auch aus einigen weiteren. Die hier tätigen Übersetzer übersetzen Strategiepapiere, Rechtstexte, Verwaltungsschreiben und Internetseiten, welche von der Kommission erstellt oder an sie übermittelt werden; üblicherweise in ihre Mutter- bzw. Hauptsprache.

="Fachübersetzungen

In den Zuständigkeitsbereich der Generaldirektion Übersetzung fällt auch die Unterstützung der Kommission bei der Öffentlichkeitsarbeit, um den Bürgerinnen und Bürgern die EU-Politik näher zu bringen. Sie überarbeitet von Kommissionsbeschäftigten verfasste Originaldokumente, berät Kommissionsdienststellen zu sprachlichen Aspekten und der Verwaltung mehrsprachiger Websites und gewährleistet die richtige Terminologie in allen EU-Amtssprachen. Wie wichtig ein vernünftiges Terminologie-Management für korrekte Übersetzungen ist, haben wir hier ja bereits zuvor schon einmal erläutert. (Terminologiemanagement - Was ist das und welche Vorteile gibt es? »)

Im Falle der EU geschieht dies mit Hilfe der „IATE“-Datenbank. IATE steht für „Interactive Terminology for Europe” und ist die mehrsprachige und interinstitutionelle Terminologie-Datenbank der EU. Seit Sommer 2004 wird sie von den Institutionen und Einrichtungen der EU zum Sammeln, Verbreiten und Verwalten von EU-spezifischer Terminologie genutzt und enthält derzeit über 7.952.000 Benennungen, die von einer in eine der 24 EU-Amtssprachen übertragen werden können – in beliebiger Kombination. Die Datenbank wird fortwährend aktualisiert und auf dem Laufenden gehalten: neue Einträge werden hinzugefügt, alte bzw. nicht mehr zutreffende Benennungen werden gelöscht. Dieses Tool bietet also eine hervorragende Grundlage und Unterstützung für Übersetzer; und das nicht nur innerhalb der EU-Institutionen, denn die Seite ist öffentlich zugänglich und kann von jedem genutzt werden.

Neben der Generaldirektion Übersetzung gibt es auch noch das Übersetzungszentrum für die Einrichtungen der Europäischen Union. Dieses erbringt Sprachendienste (neben Übersetzungen z.B. auch Revisionen, allgemeine Textbearbeitung, Terminologiearbeit, …) für Agenturen und andere Einrichtungen der EU in Europa und arbeitet mit den übrigen Übersetzungsdiensten der EU zusammen. Das Zentrum unterstützt auch die Übersetzungsdienste anderer EU-Institutionen und sonstigen Einrichtungen, wenn diese stark überlastet sind, und hilft ihnen bei Sonderprojekten.
Die Europäische Union stellt auf ihren Seiten auch diverse Hilfsmittel für das Verfassen und Übersetzen von Texten zur Verfügung. Neben der oben erwähnten „IATE“-Datenbank findet man auch eine Übersichtsseite mit Kürzeln und Akronymen aus jeder EU-Sprache, aufgelistet von A-Z, sowie Richtlinien für Übersetzungsdienstleister, die für jede Zielsprache abgerufen werden können und unter anderem feststehende Namen von Institutionen und die Verwaltungsstruktur der EU auflisten. Und damit bereits ein sprachlich einwandfreier und somit leichter zu übersetzender Text von EU-Mitarbeitern und externen Zuarbeitenden erstellt werden kann, findet man dort auch ein recht ausführliches Handbuch zum Thema („Claire’s Clear Writing Tips“).

Ganz zeitgemäß gibt es auf den Seiten der Europäischen Union natürlich auch einen maschinellen Übersetzungsservice. „eTranslation“ ist kostenlos online verfügbar, kann aber, im Gegensatz zu „IATE“, nur von europäischen öffentlichen Verwaltungen, kleinen und mittleren Unternehmen, Sprachfakultäten von Hochschulen und Projekten im Rahmen der Fazilität „Connecting Europe“ genutzt werden. Die Plattform wurde im November 2017 gestartet, es gab aber schon vorher einen maschinellen Übersetzungsservice der Europäischen Kommission. Auch hier kann wieder von allen in alle EU-Amtssprachen übersetzt werden. Dennoch gilt, wie allgemein bei maschinell erstellten Übersetzungen, dass auf diese Weise ausschließlich Rohübersetzungen geliefert werden, die einen groben Überblick über Inhalte und einen Ausgangspunkt für eine spätere, von Menschen erstellte Übersetzung darstellen können. Wer sich näher für das Thema „maschinelle Übersetzung“ interessiert, kann gerne noch weiter in unserem Blog stöbern; auch hierzu gibt es bereits einen kurzen, informativen Artikel. (Was ist maschinelle Übersetzung »)

Neben schriftlichen Texten, die es zu übersetzen gilt, spielt aber natürlich auch das gesprochene Wort innerhalb dieser Institution und seiner verschiedenen Organe eine wichtige Rolle.
Das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und der Gerichtshof der Europäischen Union verfügen jeweils über einen eigenen Dolmetschdienst, aber auch Freelance-Dolmetscher sind dort tätig, welche regelmäßig mit den fest angestellten Dolmetscherinnen und Dolmetschern zusammenarbeiten. Im Fokus stehen natürlich wieder die 24 Amtssprachen der EU, aber auch andere Sprachen werden benötigt.
Wie beim Übersetzen werden auch hier hohe Anforderungen an potenzielle Mitarbeiter gestellt. Auf den Seiten der EU findet sich eine genaue Übersicht darüber, welche Fremdsprachen man zu welcher Muttersprache beherrschen sollte (die Situation kann sich allerdings je nach aktueller Lage stets ändern), um überhaupt erst mal für einen Vorauswahltest in Frage zu kommen. Dieser muss bestanden werden, um danach zu einem Akkreditierungstest, welcher direkt in Brüssel vor einem Prüfungsausschuss stattfindet, zugelassen zu werden. Dessen Bestehen sichert dann die Aufnahme in die gemeinsame Datenbank der Vertragsdolmetscher der drei zuvor genannten Organe der EU – ein akribisches Verfahren zur Sicherung höchster Qualität bei häufig sensiblen Themen.

Die Europäische Union ist also im Hinblick auf intersprachliche Kommunikation bestens und umfassend organisiert.